16. Oktober 2024
Foto: Moerschy/Pixabay CC/PublicDomain

So schützt ein neues Haus Natur und Klima

Sechs von zehn Deutschen sehnen sich nach einem eigenen Haus. Dieser größte Wunsch vieler Menschen im Land drohte jäh zu platzen, als Grünen-Politiker Anton Hofreiter während des jüngsten Bundestagswahlkampf einem Hamburger Bezirksamtsleiter verbal assistierte. Der hatte den Neubau von Eigenheimen aus Umweltschutzgründen in Frage gestellt. Hofreiters Interview im „Spiegel“ folgte der Shitstorm. Trotz knappen Wohnraums allenthalben, hatte er betont: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr“. Anders formuliert: Er hält Einfamilienhäuser für Umwelt- und Klimasünden.

Das weckt Erinnerungen an das grüne Wahldebakel von 1998: Auch damals übernahmen seine Parteifreunde eine Forderung des FDP-Politikers und Ex-Chefs im Bundesumweltamt, Heinrich Freiherr von Lersner: Der wollte den Preis für Sprit auf fünf D-Mark verdreifachen, um den Verbrauch zu dämpfen. Die sich anschließende, heftige Debatte kostete die Partei viele Stimmen – fast sogar den Einzug ins Parlament.

Dennoch: Die Argumente haben einen wahren Kern. Zwar wissen Fachleute des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, dass viele Menschen ihre Wohnungen in der Stadt gern mit einem Einfamilienhaus auf dem Land tauschen wollen – insofern stimmt die Kritik an immer mehr und neuen Eigenheimen auf der grünen Wiese. Aus ökologischer Sicht wäre es sinnvoller, wenn die Menschen weiter in ihrer Stadtwohnung lebten, zitiert die Deutsche Presseagentur Jens Schuberth vom Umweltbundesamt (uba).

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Auch der renommierte Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung fordert nach der Klima- und der Energie- endlich auch eine „entschlossene Bauwende“ ein. Allzu lange, so Professor Schellnhuber, hätten Klimaschutzexperten auf der ganzen Welt den „Elefant im Zimmer“ ignoriert. „Ohne eine radikale Bauwende wird das Pariser Klimaabkommen scheitern“, betonte er bei einer Pressekonferenz in Berlin: Allzu lange habe die Klimaforschung den gewaltigen Einfluss des Bauen bei der Betrachtung der globalen Treibhausgase negiert. Dabei sei, so Schellnhuber, der Bausektor mit einem Anteil von 40 Prozent das eigentliche Schwergewicht unter den Emissionsquellen, die den Klimawandel befeuern.

Fazit: Allein 11 Prozent der globalen Emissionen stammen aus der Betonproduktion. Zum Vergleich: Der Flugverkehr steuert 2 Prozent zum Klimawandel bei.

Mit Cradle to Cradle ist Materialien-Verschwendung kein Problem mehr

Es geht auch anders. Prof. Michael Braungart lehrt seit Jahren das Cradle-to-Cradle-Prinzip (C2C). Es trennt zwei Stoffkreisläufe: den technischen, der die potenziell gefährlichen Materialien nutzt, die daher strikt im geschlossenen System verwendet werden müssen, und den Kreislauf der Naturstoffe. Sie können nach Gebrauch gefahrlos entsorgt werden, denn sie werden zu Humus und somit zu neuem Nähstoff im natürlichen Kreislauf des Lebens. Diese Philosophie sollte man beim Hausbau nicht außer Acht lassen.

Mit der richtigen Materialwahl muss auch ein Hausbau kein Problem für die Umwelt sein. Wer etwa statt auf Beton, der bei der Herstellung sehr viel Energie braucht und damit für unser Klimaschädlich ist, durch Holz als Werkstoff ersetzt, das beim Wachstum der Bäume Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen und gebunkert hat, wer Materialien aus der eigenen Region verwendet und so auf lange Transportwege, die Energie fressen, verzichtet, wer seine Heizanlage mit Ökoenergie betreibt oder wer sein Grundstück – statt es zu pflastern – in ein lebendiges Gartenparadies verwandelt, in dem Insekten, Vögel und andere Kleintiere Unterschlupf und Nahrung finden, hilft mit dem Bau eines neuen Eigenheims die Natur zu regenerieren anstatt sie zu verlieren. Bauherrn und -frauen, die nicht nur an ihren eigenen Traum denken, den sie sich verwirklichen wollen, sondern die dabei auch an Natur und Klima denken, finden Wege, beide Interessen zu versöhnen.

Michael Braungart erklärt das an einem Beispiel: Er kannt in Österreich eine Firma, die Tongruben ausbaggert. Das klingt zuerst nach Landschaftszerstörung. Die Gruben sind jedoch so angelegt, erzählt Braungart, „dass nach dem Abbau des Tons neue Lebensräume für Tiere entstehen“. Bereits bei der Planung wurde an diese Tiere gedacht, die später einmal auf dem Areal leben und die Arbeiten haben neben dem Tonabbau für den menschlichen Gebrauch auch das Ziel, ihnen neue Biotope zu schaffen. „Wer Cradle-to-Cradle ernst nimmt, handelt nicht nach der Maxime ‚Reduce, Reuse, Recycle‘, sagt Braungart. „Bei C2C geht es um „Rethink, Reinvent, Redesign“. Dann nämlich kann ich mich freuen, dass der Ton abgebaut wird: Weil die Landschaft nicht zerstört wird, sondern dadurch neue Feuchtgebiete entstehen, die Tieren neue Möglichkeiten für Habitate eröffnen. Dann kann unsere Aktivität als Menschen für andere Lebewesen hilfreich sein.“ Wer diese Philosophie auf den Bau des Hauses überträgt und sie an sie hält, kann ohne schlechtes Öko-Gewissen weiter vom eigenen Heim träumen.

pit

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